
Was ist Glück? Und was ist Zufriedenheit? Wäre es nicht schön, einfach zufrieden zu sein, um die Frage nach dem Glück nicht mehr stellen zu müssen?
Vor drei Jahren waren mein Mann und ich auf dem 50. Geburtstag einer entfernten Verwandten. Die Dame, nennen wir sie Tante B., hatte rund 20 Personen in eine Trattoria nach Schöneberg eingeladen. Nachdem das authentisch italienische Mahl angerichtet war, alle Gäste einen kühlen Weißwein im Glas hatten und sich das allgemeine Gebrabbel gelegt hatte, ergriff Tante B. das Wort:
„Ja, vielen Dank, liebe Familie und Freunde! Schön, dass ich diesen Abend hier mit euch verbringen darf. Jetzt bin ich 50. und das heißt: zehn vor 60. Ich hatte nie Angst vor dem 50. Geburtstag und wenn ich heute so zurückblicke, auf dieses halbe Jahrhundert, auf mein Leben und die Zeit mit euch, dann kann ich sagen, ich bin zufrieden mit allem. Auf die nächsten 50.!“
Die Gläser klirrten und mir saß ein Kloß im Hals. Mir war das Wort „zufrieden“ sauer aufgestoßen. Warum war sie denn nur zufrieden, fragte ich mich? Begleitet wurde meine Frage von etwas Mitleid, denn ich hätte mir für Tante B. einfach viel mehr gewünscht. Ich hätte ihr gewünscht, dass sie glücklich ist und die nächsten 50. Jahre in eben diesem Glück schwelgen kann. Aber vielleicht sah ich das auch falsch. Vielleicht war meine Trauer um Tante B.´s Zufriedenheit vollkommen deplatziert, denn um ehrlich zu sein, was wusste ich schon über die Zufriedenheit?
„Ja, renn nur nach dem Glück, doch renne nicht zu sehr! Denn alle rennen nach dem Glück, das Glück rennt hinterher.“ (Bertolt Brecht)
Ich weiß nicht, wie viele Ratgeber in den letzten 10 Jahren zum Thema „Glück“ auf dem deutschen Buchmarkt erschienen sind. Wer weiß, wie man so etwas recherchiert, darf sich gerne bei mir melden. Ich weiß nur, dass es unzählige Ansätze, Selbstversuche, Blogs, Tutorials und Podcasts zum „Glück“ gibt und dass es überwältigend sein kann, sich mit diesem Thema zu befassen. Deswegen geht es hier auch nicht um die Frage, wie man das Glück im Leben findet. Hier geht es um die Frage, was es mit der guten alten Zufriedenheit auf sich hat und warum alle nach dem Glück rennen, wenn doch die Zufriedenheit eine solide Alternative zum Glück darstellen könnte.
Aber tut sie das? Ich bin mir nicht sicher.
Ich möchte der Zufriedenheit nicht zu nahe treten, aber bisher kam sie mir immer wie das unvollständige Glück vor. Wie die kleine Cousine des Glücks, die irgendwie nett ist, aber nicht so richtig zu einem passt. Tue ich der Zufriedenheit damit Unrecht?
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns doch den Begriff „Glück“ anschauen, um die „Zufriedenheit“ gegenüberstellen zu können.
Was ist Glück?
Definitionen für „Glück“ gibt es viele, sie setzen sich zumeist aus psychologischen und philosophischen Lehren und Betrachtungsweisen zusammen. Fangen wir mit den Philosophen an und gehen wir so weit zurück, wie meine Zeit für Recherchen dies zulässt.
Einen ersten Aufschlag liefert Marc Aurel (121 – 180 n. Chr.) römischer Kaiser und Philosoph. Er meint, Glück sei in erster Linie von der Beschaffenheit der eigenen Gedanken abhängig, von der Fähigkeit, dem Geist Beachtung und Achtung zu schenken. Außerdem stellte Marc Aurel eine Reihe von Prinzipien zum Thema „das gute Leben“ auf, nach denen er selbst handelte und die ihm für seine seelische Integrität unerlässlich waren, etwa das Prinzip der Wahrheit, Kontrolle der Triebe und Affekte, aktive Arbeit an der eigenen Person u.a. In seinen „Selbstbetrachtungen“, einer Art Sammlung und Reflexion seiner Lebensphilosophie und Beobachtungen zum Leben, sinniert er über die Prinzipien des Lebens, unter dem Einfluss der Stoa, der philosophischen Lehre, die ihn seit seiner Jugend geprägt hat. Dass er der vernunftgeleiteten Betrachtung des „Glücks“ einen hohen Stellenwert einräumt, ist somit verständlich.
Wird diesem philosophischen Ansatz eine Definition aus der kognitiven Psychologie gegenüber gestellt, so könnte sich Glück, etwa nach Martin Seligman, aus drei Elementen zusammensetzen:
- dem guten Leben: Streben nach persönlichem Wachstum und „Flow“
- dem sinnvollen Leben: Handeln geprägt durch Streben nach etwas „Höherem“
- dem angenehmen Leben: gekennzeichnet durch Vergnügen.
Glück entsteht außerdem unter anderem bei
- überraschenden Geschenken
- Anerkennung und Bestätigung
- einer positiven Work-Life-Balance
- harmonischer Geselligkeit
- Erlebnissen in der Natur
- sportlicher und/oder musikalischer/künstlerischer Tätigkeit
Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass sich auch verschiedene Phasen des Glücks unterscheiden lassen:
- Euphorie: sie entsteht unvermittelt, überraschend
- Freude: Momente des Wohlseins
- Zufriedenheit: stellt sich langfristig ein.
Aha! Zufriedenheit ist also das langfristige Glück! Also genau das, was wir uns alle wünschen, nicht wahr?
Die Zufriedenheit
„Der unzufriedene Mensch findet keinen bequemen Stuhl.“ (Benjamin Franklin)
In der Psychologie wird der Begriff allgemein als Übereinstimmung zwischen den eigenen Erwartungen und dem eingetretenen Ergebnis verstanden. Je höher der Grad der Übereinstimmung zwischen Erwartung und Ergebnis, umso höher das Gefühl der Zufriedenheit. Diese Betrachtung setzt jedoch eine zuvor bestehende „Erwartung“ voraus. Was, wenn es diese nicht gibt und man den Zustand der Zufriedenheit grundlegender betrachten möchte?
Allgemeiner gesagt ist Zufriedenheit ein Zustand, in dem man nach nichts weiter verlangt, als nach dem, was man hat. Man zeigt sich einverstanden mit dem, was ist, ohne „Ja, aber ….“. Wenn man diesen Ansatz einmal sacken lässt, dann erklärt sich vielleicht auch, warum so viele Menschen unzufrieden sind, obwohl sie eigentlich alles haben, was man im Leben so braucht. Weil sie noch nicht erkannt haben, dass Zufriedenheit ein Erkennen voraussetzt. Ein Annehmen und Dankbar sein für das, was ist. Ohne nach mehr zu verlangen. Wer immer mehr verlangt, der kann nach dieser Theorie keine Zufriedenheit aufbauen.
Meinen eigenen Beobachtungen folgend kann ich diesen Ansatz nur bestätigen. Ich kenne so viele Menschen, die alles haben und alles bekommen, wonach ihnen der Sinn steht. Meistens geht es um materielle Dinge oder Erlebnisse, wie Urlaube. Und gleichwohl sind diese Personen nie ganz bei der Sache. Ich spüre, wenn ich ihnen gegenüber sitze, dass etwas an ihnen nagt. Dass es in der Seele dieser Menschen eine Lücke gibt, die sie zu schließen versuchen. Aber kaum ist die Lücke geschlossen, geht in diesen Personen eine neue auf. Und die Gedanken dieser Menschen kreisen ständig um dieses „Etwas“.
Ich habe auch eine solche Lücke. So ist etwa mein Bedürfnis nach Erlebnissen und Reisen noch lange nicht befriedigt und ich könnte ständig darüber sinnieren, warum es mich ständig in die Ferne zieht. Aber ich kenne meine Lücke. Und ich kenne meine Unzufriedenheit die sich breit macht, wenn ich das Gefühl bekomme, mein „Erlebnis-Konto“ nicht zu füllen. Viele Menschen kennen ihre Lücke nicht. Oder sie kennen sie, haben aber noch keine Mittel und Wege gefunden, diese zu schließen.
Den Zustand der „Zufriedenheit“ zu erreichen, ist wohl eine langfristige Angelegenheit. Ich bewundere Menschen, die nach nichts mehr verlangen, als nach dem, was sie sowieso schon haben.
Insofern war meine Skepsis gegenüber Tante B.´s Zufriedenheit unangebracht. Wenn ich Glück als Momentaufnahme verstehe und Zufriedenheit als andauernden Zustand einer inneren Liebe zu dem, was ist, dann wünsche ich Tante B. (und uns allen) Zufriedenheit pur, garniert mit Sternenstunden und glücklichen Highlights on Top, zum Beispiel in Form von Reisen! Vielleicht schaffe ich es, meine Reise- und Erlebnislust als solche Sternenstunden zu betrachten. Damit würde ich der Zufriedenheit den Stellenwert in meinem Leben einräumen, die sie verdient.
Wie versteht ihr diese Begriffe? Habt ihr über den Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit schon einmal nachgedacht und dachtet ihr, so wie ich, das Glück sei der erstrebenswerte Zustand im Leben?
Ich freue mich über eure Gedanken hierzu, lasst einen Kommentar da.
Love, V I D A
P.S.: der Blog ist 100% werbefrei (ausgenommen redakt. Buchempfehlungen, als Autorin kann ich gute Bücher nicht ignorieren). Abonniere diesen Blog über die Newsletterfunktion, so verpasst du keine Kolumne und keinen kostbaren Gedanken.
Check:
Die Forschung hat schon lange festgestellt, dass der Gemütszustand „Zufriedenheit“ und die Fähigkeit eines Menschen, sich „rund um wohl“ zu fühlen, auch von der genetischen Veranlagung abhängt. So, wie der Hang zu Depressionen durchaus genetischen Ursprungs sein kann, so kann auch (neben einer Vielzahl anderer Faktoren) die Kunst zur Zufriedenheit in den Genen stecken. Aber, die Genetik ist es nicht allein!
Jeder Mensch ist selbst seines Glückes Schmied. Wer den Entschluss gefasst hat, mit sich und seinem Leben, seinen Gedanken und Einstellungen in einer positiven Welt leben zu wollen, der wird alles dafür tun, um sich dies zu erfüllen. Wege gibt es viele, sei es die Lektüre guter Bücher zum Thema positive Geisteshaltung; sei es der Besuch entsprechender Seminare oder Workshops. So, wie Menschen den Entschluss fassen, zu lästern, zu maulen oder missgünstig zu sein, so ist es nach meiner Ansicht jeder selbst, der darüber entscheidet, ob er in einem positiven Vibe leben will, oder in einem negativen.
Meine persönlichen Tipps für ein Leben im positiven Vibe:
- jeden Tag etwas lesen, was der Seele gut tut (Motivationsbücher, Liebesromane, Gedichte, Biografien, Mindset-Magazine etc.)
- körperliche Aktivität (Sport, Tanz, Gartenarbeit, Walking…)
- Naturerlebnisse
- halte dich fern von Lästerern, Missgünstigen, chronisch Traurigen und pessimistischen Menschen. Wenn Kollegen lästern: mach nicht mit!
- nicht vergleichen! Der Vergleich (wer ist schöner, schneller, schlauer etc.) führt automatisch in die Unzufriedenheit, denn wenn wir vergleichen, sind wir uns selbst nicht genug. Wir hinterfragen uns, unsere Outfits, unsere Leben und setzen damit die Wurzel innerer Unausgeglichenheit. #stopscrolling
Foto: (c) Daniel Graf.