Und was hat das mit Römischem Recht, Weihnachten, Forrest Gump und Besinnlichkeit zu tun? Das lest ihr hier:
„Schreib dein Buch über uns beide. Über unsere Freundschaft. Die Menschen sind heutzutage so kontrolliert, jeder ist sich selbst am nächsten. Hättest du mich in römischer Rechtsgeschichte nicht bei dir abschreiben lassen, wären wir heute, 17 Jahre später, nicht miteinander befreundet“, sagt Florina und hebt ihr Glas, um mit mir und unseren Männern auf die Freundschaft anzustoßen. Der Grauburgunder schimmert cremig-golden, das Klirren zum Prost erfüllt den Raum und ich lasse den Gedanken sacken.

Es ist der dritte Advent und wir kommen zusammen, um uns „vor dem neuen Jahr“ noch einmal zu sehen. Es ist herbstlich mild in Berlin und trotzdem schmeckt das klassisch winterliche Essen in dem Dahlemer Traditionslokal vorzüglich. Das Restaurant ist komplett ausgebucht. An jedem Tisch sitzen Familien, Freunde und Menschen, die sich kurz vor den Feiertagen und dem anstehenden Jahreswechsel unbedingt noch einmal sehen wollten. Man kommt zusammen, um Verbindungen zu feiern, zu bestärken, der Freundschaft, Familie und der Liebe Respekt zu zollen.
Und ja, Florina hat recht. Wäre ich vor 17 Jahren engstirnig, zu ehrgeizig oder egoistisch gewesen, dann hätte ich meine Notizen vermutlich nicht mit ihr geteilt. Oder nur widerwillig. Und dann wären heute nicht miteinander befreundet. Aber es kam anders.
Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter – ich weiß es nicht mehr. Vermutlich startete unser Schwerpunktstudium in Europäischer Rechtsgeschichte im Oktober. Und so saßen wir in einem kleinen Seminarraum in Berlin Dahlem auf dem FU-Campus und lauschten unserer Professorin, die über Besitz und Eigentum im Römischen Recht dozierte. Florina saß rechts von mir und zeigte Interesse an meinen Mitschriften. Damals rauchte sie noch Vogue Zigaretten, dafür war meine Zunge gepierced und wir schleppten gemeinsam kiloschwere, juristische Fachliteratur aus der Bibliothek nach Hause. Es gab erste Baby Steps in Sachen Social Media und die vegetarische Mensa auf dem Campus galt als revolutionär! Und von Vorlesung zu Vorlesung wuchs das Interesse aneinander. Wir sind schnell miteinander warm geworden – Schwestern im Geiste und im Herzen – verbrachten den Rest unseres Studiums zusammen und begleiteten uns durch beide Staatsexamen. Die Juristerei war irgendwann unser gemeinsamer Begleiter, unsere Freundschaft jedoch stand gefühlsmäßig über dem Niveau einer reinen Zweckgemeinschaft. Zwei Staatsexamen, Fachanwaltstitel, eine Verbeamtung auf Lebenszeit, eine Hochzeit, zwei Kinder, zig Umzüge und Abendessen später sitzen wir hier. Weihnachten 2023.
Und ich weiß, was Florina mir sagen wollte (auch wenn ich nicht weiß, wie ich ihren Gedanken in Buchform gießen soll, aber sie hat mir ja keine Frist gesetzt. Das Buch kann warten).
Die Vorweihnachtszeit hat einen magischen Vibe. Draußen ist es dunkel, neblig und ungemütlich. Die Lichterketten an Fenstern und in den Straßen lassen uns wissen, dass der Winter nichts böses will. Es ist eine Zeit der Einkehr und des Beisammenseins. Der Analyse, des Geschichtenerzählens und der Besinnlichkeit. Aber machen wir uns eigentlich bewusst, worauf genau wir uns besinnen? Klar, ab Mitte November geht es dann auch schon um „den großen Jahresrückblick“ und die Frage, ob wir für das nächste Jahr gute Vorsätze fassen sollten, oder nicht.
Aber befassen wir uns mit einem oder mehreren Themen intensiv? Denken wir über Begegnungen nach, über unser Verhalten und „was wäre wenn“ ich mich vielleicht anders verhalten hätte? Nehmen wir Begegnungen zwar wahr, verbuchen diese aber unter „Zufall“?
Sofern wir alles als gegeben annähmen, sprechen wir uns dann nicht selbst die Möglichkeit ab, auf uns und unser Leben, unsere Freundschaften und Begegnungen Einfluss nehmen zu können?
Besinnen wir uns jedoch darauf, dass JEDE unserer Handlungen einen Effekt haben kann, dann nehmen wir Gestaltungsspielräume und Möglichkeiten wahr. Sie ziehen nicht nur an uns vorbei.
Ich hatte Einfluss darauf, ob ich Florina meine Notizen zu den Eigentumsverhältnissen des pater familias überlasse, oder nicht. Es war kein Zufall, dass wir uns begegnet sind, zumindest glaube ich nicht an Zufälle (das hatte ich in dem einen oder anderen Artikel auf diesem Blog schon erwähnt). Sicherlich hat mich damals meine Intuition geleitet. Mein Herz war im Moment präsent und hat sich richtig entschieden.
Das ist kein Loblied auf mich selbst. Ich mache mir nur gerade bewusst, wie schön die Erkenntnis ist, dass jeder Moment dazu bestimmt sein kann, unserem Leben eine Richtung zu geben. Der Gedanke ist nicht revolutionär – er steht auf jeder Mindset-Zeitschrift auf dem Cover und jeder dritte, spirituelle Insta-Post weißt uns darauf hin, achtsam und bewusster zu leben. Nur, in Bezug auf Freundschaften waren mir diese Aspekte nicht präsent genug! Und jetzt, da ich mir dieser Erkenntnis bewusst bin, kann ich den Menschen um mich herum noch aufmerksamer begegnen.
Für mich hat sich herausgestellt, dass ich glücklicher lebe, wenn ich aufmerksam durch das Leben gehe. Nicht alles unter dem Schlagwort „Zufall“ einfach hinzunehmen, sondern auch mal genauer hinzuschauen.
Und da wir gerade in der besinnlichsten Zeit des Jahres sind (wobei ich laue Sommernächte auch ganz wunderbar finde, um in den Nachthimmel zu schauen und die Füße tief im Sandstrand zu versenken) freue ich mich über eure Geschichten zu „nicht ganz so zufälligen“ Begegnungen.
Habt ihr eine Story parat, wo ihr euch sagt: „Gut, dass ich damals so und nicht anders reagiert habe?“
Ich freue mich über eure Kommentare und, falls noch nicht geschehen, folgt mir sehr gerne auf Instagram, um über neue Buch- und Schreibprojekte informiert zu bleiben.
In diesem Sinne: frohe Festtage, einen besinnlichen Jahreswechsel und
Love, V I D A
Übrigens:
Nächstenliebe und Barmherzigkeit sind klassische Schlagworte, die uns während der Weihnachtszeit häufiger begegnen. Lange Definitionen und Interpretationen brauchen wir an dieser Stelle nicht, es reicht folgendes Zitat, um zu verdeutlichen, was gemeint ist:
„Ich bin kein kluger Mann, aber ich weiß, was Liebe ist.“
(Forrest Gump in Forrest Gump, 1994).