Grau in Grau. Die uns Berlinern wohl bekannte Decke aus Wolken liegt seit rund drei Wochen schwer wie Blei auf der Hauptstadt. Die Wolken schattieren in hellem Grau. Mal ist auch eine mausgraue Wolke dabei. Mal ein helles Fleckchen gedecktes Weiß. Da! Ein Sonnenstrahl?! Nein, der Wunsch nach dem gleißenden Licht der Sonne war größer als ihre Kraft, sich durch die Bleidecke zu bohren. Die mausgraue Pampe lässt nichts durch. Ja, wir Berliner haben Erfahrung mit den trüben Wintermonaten. Der Januar ist in jedem Jahr besonders hässlich. In normalen Zeiten übertünchen wir das Mausgrau mit Vitamin-D Tabletten, Tageslichtlampen im Büro, einem Saunagang im Fitnessstudio und einer dicken Pizza vom Lieblingsitaliener am Winterfeldtplatz. Wir trinken frisch gebrühten Espresso auf dem Wochenmarkt und wer lustig ist, freut sich auf die Winterferien und ein Sonnenbad im Skiurlaub. Brettljause und Almdudler. Seufz.
Wer hätte es gedacht, jetzt kommt der Einschub, die Erkenntnis: in diesem Januar ist alles anders. Die Impfungen haben zwar begonnen, aber zur Normalität kehren wir nicht zurück. Höchstens in Gedanken. Und es sind nicht so sehr unsere Gedanken, die dieses latente Unwohlsein, dieses Vermissen, diesen Unmut, den Wunsch nach Pläneschmieden in uns heraufbeschwören. Es sind unsere Gefühle. Plötzlich ist es undenkbar, auch nur einen einzigen Tag länger in dieser Lockdown-Stadt verbringen zu müssen. Berlin sitzt da, wie ein dicker, fetter Trauerkloß aus geschlossenen Geschäften, leeren Straßen, missmutigen Menschen (und von dem politischen Berlin wollen wir gar nicht erst anfangen). Der Trauerkloß Berlin ist in diesem Januar einfach noch um einiges hässlicher, als in normalen Jahren. Berlin verschränkt die Arme vor der Brust. Grau und dick und Januar-hässlich.
Das Kribbeln in den Händen wird nicht besser. Seufz. Schmacht. Der Blick in die Ferne sucht Abenteuer. Ab zum Grunewaldsee. Vielleicht lässt sich diese innere Unruhe mit einem kräftigen Spaziergang im Wald zurückdrängen. Am Grunewald angekommen: Menschen über Menschen. Schnell wieder weg.
Abends schmachten wir auf Instagram und verträumen uns dabei. Wann ist die beste Reisezeit für die Bahamas? Ist Bali tatsächlich so überrannt? Nochmal nach Bangkok oder sollte Singapur eine Chance bekommen? Meine Schwägerin ist Flugbegleiterin. Sie verbringt ihren 48-Stunden Stopp-Over gerade in Columbien. Was würde ich für 48 Stunden Columbien geben!
Das „Krankheitsbild“ Fernweh
Mittlerweile ist das Heimweh als Krankheitsbild durchaus anerkannt. Valide Aussagen dazu, ob auch Fernsucht oder die mildere Form, Fernweh als „Krankheitsbild“ definiert werden kann, finde ich nicht. Es zeigt sich in den meisten Fällen wie folgt:
- Vermissen von Freiheit
- Wunsch nach fremden Impressionen
- Verlangen nach neuen Düften, Bildern, Sinneseindrücken
- Vermissen von Wärme, Sonne, Luft und Wasser auf der Haut
- Gelangweilt sein vom Hier und Jetzt
- Glauben, dass es woanders jetzt viel schöner wäre
- Brennendes Verlangen, etwas zu planen, zu organisieren, sich zu bewegen
Gemeinhin heilen wir das Fernweh mit der nächsten Reiseplanung und dem Antritt dieser Reise. Nach zwei bis drei Wochen Safari durch Afrika oder Hostel-Hopping auf Bali kommen wir „nach Hause“ zurück und sind für die nächsten zwei bis drei Monate befriedigt. Bei einer Fernsucht hingegen planen sich die Betroffenen von einer Reise zur nächsten. Sie finden keine Befriedigung mehr in der Reise an sich, sie sind vielmehr auf der Suche nach etwas, das sie weder beim Reisen, noch Daheim finden können. Doch darum soll es hier nicht gehen.
12 Tipps gegen das Fernweh
Noch ist die Welt nicht so weit. Wir wissen nicht, wann und unter welchen Bedingungen wir wieder reisen können. Werden unsere Traumziele nur mit Impfnachweis erreichbar sein? Was, wenn sich die Situation vor Ort nicht stabilisiert? Es wird noch etwas Zeit vergehen, bis wir uns auf einen geregelten „nach Corona“ Tourismus verlassen können. Bis dahin empfehlen sich folgende Maßnahmen:
- Vision Board der nächsten 3 Reiseziele basteln
- Fotos und Pins von den nächsten Reisezielen sammeln
- Filme und Dokumentation verschlingen
- In Erinnerungen vergangener Reisen schwelgen
- Trotzdem um den Grunewaldsee spazieren
- Entsprechendes Essen der Destination bestellen oder selber kochen lernen
- Gerüche nach Hause holen, z.B. ätherische Öle, Duftmischungen die typisch für dein Reiseziel sind.
- Ebooks, Reiseblogs, Reiseberichte lesen
- Geld für die nächste Traumreise bei Seite legen
- Top 10 Hotels, die du gesehen haben willst, sammeln
- Bildbände verschlingen, z.B. „die schönsten Strände der Welt“
- Online Tutorials zum Reisen schauen: Fotografie, Travel Hacks etc.
In einer Reiseapp sammele ich derweilen meine Top 10 Reiseziele und zu jedem Reiseziel sammele ich die Top 10 Hotels, die dann später einmal, bei einer echten Reiseplanung in Betracht zu ziehen wären. Es ist ein bisschen wie spielen, illusionieren, versinken in einem Candy-Crush bestehend aus Hotels und Traumstränden. Als Kinder hingen wir unseren Träumen ständig hinterher. Wir haben Barbie gespielt und uns dabei vorgestellt, eine Prinzessin zu sein. Es hat uns nicht betrübt, nicht die Prinzessin zu sein.
Als Kinder hat es uns Freude gemacht, so zu tun, als ob.
Wir sind mit unseren Fahrrädern durch die City gedüst, die besten Freunde mit dabei und es war schön, so zu tun, als wäre man der King oder die Queen vom Stadtpark XYZ. Die Vorstellung hat gereicht. Das Gefühl war da.
Ähnlich ist es jetzt: tun wir so, als ob. Sich an der Vorfreude zu erfreuen, ist ein gutes Gefühl. Wir müssen es nur zulassen.
Love, V I D A .