
Warum es so wichtig ist, die Angewohnheit des unablässigen Grübelns und Denkens zu durchbrechen.
„Ich denke, also bin ich“. (René Descartes, Philosoph, 1641)
Ist dem so? Sind wir am Leben und existent, weil wir wahrnehmen, dass wir denken? Wird unser Bewusstsein aus Gedanken gestrickt? Und wenn die Antwort Nein lautet, warum versinken wir dann so häufig in uns selbst? Und warum versuchen wir etwa in der Meditation, die Gedanken vorbeiziehen zu lassen, ihnen gerade nicht nachzuhängen und uns nicht von ihnen in die Geschichten der Gedankenwelt hinabziehen zu lassen?
Gedanken ohne Ende
Kennen Sie das? Sie steigen aus dem Auto, die Einkäufe in der Hand, in der Jackentasche fischen Sie nach dem Briefkastenschlüssel und hoffen darauf, dass die Tomaten in der Tüte nicht zerquetscht sind. Und dann ist er da, dieser Gedanke: habe ich das Auto abgeschlossen?
Warum stellen wir uns diese Frage? Weil unser Geist ständig in Bewegung ist und einen Gedanken nach dem nächsten ausspuckt. Wir traben in Gedanken den vielen, vielen Bildern und Geschichten unseres Geistes hinterher. Sie produzieren sich automatisch, wir müssen uns nur an ihre Fersen heften und schon vergehen Minuten wie im Flug. Und wir fragen uns, ob der Herd aus ist, ob wir die Fenster geschlossen oder den PC heruntergefahren haben. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass wir auch den Geschichten in unserem Kopf garnicht all die Aufmerksamkeit widmen können, die sie vielleicht verdienen würden. Zudem verdienen die meisten Gedanken unsere Aufmerksamkeit auch nicht, dazu gleich mehr. Und es ist auch nicht förderlich oder sinnvoll, jeder Geschichte und jedem Gedanken in uns hinterherzuspringen.
Warum?
Weil es uns das Hier und Jetzt kostet!
Unsere Gedanken vordern einen Tribut. Die Gegenwart. Unsere Achtsamkeit. Das Gewahrsein, im Moment sein.
Das ist der Preis, den wir zahlen, wenn wir unsere Aufmerksamkeit für unsere Gedanken opfern. Wir hören unserer kleinen Schwester, die aufgeregt von ihrem ersten Arbeitstag erzählt, nicht richtig zu. Arbeitskollegen und Begegnungen des Alltags werden von uns nicht so gewürdigt, wie sie es eigentlich – und das ist auch eine Frage des Respekts – verdient hätten. Wir „schalten ab„. Und damit ziehen das Leben, der Moment, Interaktionen mit den Menschen, mit denen wir ein Leben teilen, an uns vorbei.
Befreie Dich von deinen Gedanken
Das Leben kann es aber nur im Hier und Jetzt geben. Es findet genau dann statt, wenn die kleine Schwester von ihrem ersten Arbeitstag erzählt. Es findet statt, wenn der Chef eine Jahresansprache hält und die Kassiererin uns einen schönen Abend wünscht. Es kann nicht später in Gedanken nachgeholt werden. Es geht darum, präsent zu sein. Denn das ist, was unser Leben ausmacht. Und das wiederum ist gar nicht so einfach durchzuziehen!
Meditation schafft die Basis
Meditation hilft dabei, die Gedanken ziehen zu lassen. Ihnen nicht nachzujagen. Auch bei der Meditation geht es darum, im Hier und Jetzt zu sein. Bei der Atemmeditation etwa konzentrieren wir uns auf das Ein- und Ausströmen des Atems. Wir benutzen kleine Konzentrationstricks, indem wir darauf achten, dass sich die einströmende Atemluft kälter anfühlt, als die ausströmende Luft. Oder wir achten darauf, wie unser Brustkorb sich hebt und senkt. Oder, oder, oder. Die meisten Meditationen basieren (insbesondere geführte Meditationen für Anfänger) auf der Achtsamkeit gegenüber einem bestimmtes Gefühl, einem Geräusch oder Bild. Das soll uns helfen, unsere Aufmerksamkeit von den Gedanken abzuziehen und schlicht „da“ zu sein. Präsent. Die Gedanken mit Gedanken zu stoppen, funktioniert übrigens nicht und auch dass die Gedanken sich in der Meditation bemerkbar machen, ist völlig natürlich und Bestandteil der Meditation. Die Übung besteht darin, die Gedanken zu erkennen und sich dann wieder der Präsenz zuzuwenden. Der Atemluft etwa.
Achtsamkeit im Moment – Gedanken ziehen lassen
Warum ist es so wichtig, das Gedankenkarussell auch stoppen zu können? Und spricht das nicht gegen die Headline dieses Blogs? Hier geht es doch um Gedanken, oder nicht?
Ein Thema zu durchdenken, Fakten zu sammeln und Lösungen zu entwickeln, ist etwas anderes, als in dem Sog der nicht enden wollenden Gedanken unterzugehen. Viele Menschen tendieren dazu, die Gedanken im Kopf ewig, ohne Ziel, ohne Lösung, kreisen zu lassen. Sie fangen an, sich Sorgen zu machen. Sie schlafen nachts nicht gut und haben Bluthochdruck. Ein Gedanke führt zum nächsten. Und aus Sorgen können ganz schnell Ängste werden.
Befreit von Ängsten und Gedankenchaos
Mehr im Hier und Jetzt zu leben hilft, Ängste und Sorgenbilder auf ein Minimum zu beschränken. Während wir den Hausputz machen, müssen wir nicht darüber nachdenken, wie schrecklich die derzeitige Weltlage ist, ob es zu einer Wirtschaftskrise kommen wird oder ob das Auto den nächsten TÜV überstehen wird. Während des Hausputzes sind solche Gedanken verschwendete Energie. Sie führen nirgendwo hin und sie lösen auch keine Probleme. Um Probleme zu lösen, brauchen wir eine Faktensammlung, Lösungsansätze und entscheiden dann, welchen Weg wir einschlagen wollen. Sich außerhalb dessen „kreisende Gedanken zu machen“, nach denen a) niemand gefragt hat und die b) Kraft und Lebensenergie kosten, ergibt einfach keinen Sinn. Es schürt hingegen Ängste und das Kopfkino zeigt irgendwann Horrorfilme, die unrealistisch sind und einzig aus den kreisenden, niemals endenden Gedankenströmen resultieren.
Der Trick: fühle, rieche, schmecke, höre
Ein erster, einfacher Trick, für mehr Zeit im Hier und Jetzt: entspannen Sie sich, schließen Sie kurz die Augen und atmen Sie tief ein. Dann registrieren Sie bitte, um wirklich im Moment zu sein, 5 Dinge, die Sie hören; dann 5 Dinge, die Sie sehen, 5 Dinge, die Sie riechen und 5 Dinge, die Sie fühlen. Innerlich oder äußerlich, ganz egal.
Atmen Sie durch. Dann machen Sie die Übung mit 4 Dingen weiter. 4 Dinge, die Sie sehen. 4 Dinge, die Sie hören etc. Nach einer kurzen Pause, geht es mit 3 weiter. Dann mit 2 und zuletzt mit 1.
Die Dinge, die Ihre Sinne wahrnehmen, sollten hierbei ganz natürlich in Ihr Bewusstsein treten. Die Dinge können sich in den jeweiligen Durchgängen wiederholen, müssen es aber nicht. Ich sehe jetzt gerade meinen Laptop. Im nächsten Durchgang sehe ich vielleicht meinen Notizblock. Ich höre ein Kind auf der Straße lachen. Vielleicht höre ich im nächsten Durchgang noch immer das Kind und zusätzlich einen Hubschrauber in der Ferne.
Die Methode nennt sich auch „5-4-3-2-1-Übung“ (nach Yvonne Dolan, US-amerikanische Hypnotherapeutin) und wird u.a. in der Angst- und Traumatherapie angewandt. Es handelt sich um ein Tool zur Selbstkontrolle, Stressbewältigung undAngstbewältigung. Es kann aber auch genutzt werden, um den Moment intensiv wahrzunehmen und um aus dem Kopfkino auszusteigen. Auch als Einschlafhilfe wird die Technik mittlerweile empfohlen. Sie verhilft augenblicklich zu mehr Präsenz und Achtsamkeit. Ich nutze die Technik etwa, wenn ich in der Sauna liege und nicht ins Kopfkino einsteigen möchte. Ich nutze die Technik auch, wenn ich durch die Straßen laufe und den Moment bewusst abspeichern möchte. Wenn ich besonders schöne Momente erlebe, kürze ich manchmal ab und mache die Technik nur mit der 1. Ich bin dadurch sofort im Moment, ich bin präsent.
Das Hirn kann nur eins sein
Entweder, Sie sind präsent, oder nicht. Das Hirn kann nicht zwei Dinge gleichzeitig denken. Wenn es Ihnen wichtig ist, das Leben bewusster wahrzunehmen und weniger Momente an sich vorbei rauschen zu lassen, weil der Gedankenstrudel mal wieder dominanter war, dann wünsche ich Ihnen die Kraft und die Muse, mit Meditation oder anderen Achtsamkeitstechniken, wieder häufiger bewusster zu sein.
Das Jahr ist noch jung, es lohnt sich.
Love, V I D A.