
Sicher hat jeder schon einmal eine Situation erlebt, in der es hieß, man gebe zu wenig. Oder, immer seien die anderen nur am nehmen. Woran denken wir tatsächlich, wenn es um Geschenke und Einladungen geht? Um Aufmerksamkeiten, die selbstlos gegeben und voll Dankbarkeit angenommen werden? Eher nicht.
„Ich weiß, du denkst, du bist großzügig, aber die Grundlage fürs Schenken ist Reziprozität. Du hast mir kein Geschenk gegeben, du hast mir eine Verpflichtung gegeben.“ (Sheldon Cooper in „The Big Bang Theorie“, Staffel 2, Folge 11)*
Sheldon Coopers Aussage mag verletzen, sie mag hart klingen und provozieren, aber ich weiß, dass er recht hat. Ich stecke in einemDilemma,ähnlich wie eben zitierter Sheldon. Ich bin wie gebrandmarkt, wenn es um Einladungen anderer geht. Freimütig etwas anzunehmen, fällt mir sehr schwer. Es gibt nur wenige Personen, denen ich in dieser Hinsicht traue. Dass das mein Problem ist, weiß ich. Es liegt an mir, wie ich mich fühle, wenn ich eingeladen werde. Es liegt nur an mir, wie ich mit Geschenken umgehe.
Aber wie löse ich dieses Dilemma für mich und die nächsten Jahre?
Sonntag beim Pizzaessen mit der Familie. Als sich unser Get-together dem Ende näherte, ging mein Mann unauffällig an die Bar, um schon einmal unseren Teil der Rechnung zu begleichen. In unserer Familie gibt es die unausgesprochene Regel, dass wenn das Treffen keine Einladung zum Geburtstag ist, zahlt jeder seine Rechnung selbst. Manchmal wird das nicht eingehalten, was schon zu unguten Gefühlen auf der einen oder anderen Seite geführt hat. Am Sonntag jedenfalls erkundigte sich meine Schwägerin extra noch einmal bei uns, ob es wirklich ok sei, das jeder seine Rechnung selbst zahle. Ich sah sie verdutzt an. Sie entgegnete, sie möchte kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie nicht auch mal die Rechnung übernimmt. Wir versicherten ihr, dass niemand in der Annahme zum Pizzaessen gekommen sei, sie (oder ein anderes Familienmitglied) würde die Rechnung für alle 11 Personen begleichen.
Aber ist dem wirklich so? Gehen diejenigen, die das ein oder andere Mal eben doch heimlich für alle mit bezahlt haben, nicht irgendwie davon aus, irgendwann selbst eingeladen zu werden?
Der Gedanke lässt sich auf jede Form der Einladung übertragen, egal, ob zum Kaffeetrinken oder auf eine Einladung nach Hause: möchte der Spendable nicht insgeheim beim nächsten Treffen eingeladen werden? Möchte der Gebende nicht irgendwann einen Ausgleich für seine Bemühungen?
Ich meine, ja. Insgeheim denkt sich der Spendable: „Letzte Woche ging die Flasche Wein auf mich. Heute bezahlt hoffentlich mein Gegenüber.“ Auch wenn der Spendable seine Einladung am Tag X aus vollem Herzen ernst meint und die Rechnung gerne beglichen hat, so glaube ich doch, dass stets eine gewisse Erwartungshaltung, oder zumindest eine Enttäuschung dahingehend besteht, wenn die Einladung nicht erwidert wird.
Das ist vermutlich nicht bei allen Menschen so. Aber meinen Beobachtungen nach, bei den meisten. Es gibt Personen, bei denen hoffe ich, dass mein Mann als erster zur Bar rennt, um schon mal abzurechnen. Es gibt Personen, von denen möchte ich keine „Einladung“ annehmen, weil ich weiß, dass es keine ist. Und dann gibt es Personen, bei denen ich sicher sagen kann, die Einladung kommt von Herzen. Ich muss mir keine Sorgen machen. Ich darf mir auch noch einen Espresso bestellen, ohne strafende Blicke zu ernten.
Geschenke verpflichten. Ein schlechtes Gewissen noch viel mehr.
Eigentlich traurig, aber die Erfahrung lehrt, dass nur wenige Menschen selbstlos geben können. Das sind in der Regel Menschen, die sich sowieso um alles und jeden kümmern. Diese Menschen zählen nicht mit, wer wie oft welche Rechnung begleicht und wer wem wie oft Blumen mitgebracht hat. Wer gibt und wer nimmt, das zählen wirklich selbstlose Schenker nicht mit.
Aber was unterscheidet die Selbstlosen von den vermeintlich Spendablen?
Sind die Selbstlosen mehr mit sich im reinen? Sind sie selbstbewusster, warmherziger und liebevoller? Harmoniebedürftiger? Im Kopf und Gemüt muss es doch einen Unterschied zwischen diesen beiden Personengruppen geben!
Vielleicht bin ich der Unterschied, schießt es mir durch den Kopf? Diejenigen, die mich wirklich mögen, laden (mich) vermutlich gerne ein. Sie tun es selbstlos, ohne an sich zu denken. Sie tun es für mich. Und diejenigen, die in Wirklichkeit gerne ein Hühnchen mit mir rupfen würden, die tun nur so, als ob. Da kommt der Bumerang irgendwann ganz sicher zurück.
Geben – nehmen- verlangen
Vielleicht wäre es besser, wenn all jene, die in Wirklichkeit eine
Gegenleistung für ein Geschenk erwarten, einfach nicht mehr schenken würden?
Wenn es dabei bliebe, dass jeder seine Rechnungen selbst bezahlt und zum
Geburtstag gibt es höchstens eine Geste der Höflichkeit (Blumen, Pralinen oder
Wein). Ich lasse mich schlicht nicht mehr beschenken und schenke auch nicht zurück.
Punkt. Aber irgendwie macht das das Leben auch ein Stück farbloser. Weil es
eben jene gibt, die schenken und einladen, weil sie sich dabei gut fühlen. Sie tun
es gerne und würden es nicht verstehen, wenn ich aus diesem Kreislauf
aussteige. Ich könnte diese Personen damit verletzen. Das möchte ich nicht,
weil ich ja selbst weiß, wie viel Freude es bereitet, jemandem von Herzen ein gutes
Geschenk zu machen.
Vielleicht kann ich das in Zukunft so
sehen:
Ich versuche meine Einstellung zu ändern und lasse mich ab sofort von jedem
gerne einladen. Und sollte irgendwann mal ein Spruch fallen à la: „Na, wann
übernimmst du mal?“, dann muss ich halt die Eier in die Hand nehmen und
erwidern: „Ich übernehme, wenn ich dich einlade. Dann lade ich dich nämlich
ein!“
Was
meint ihr, ist das ein gangbarer Weg?
Love, Vida.
P.S.: Zum Unterschied zwischen schlagfertig und frech, lest den Blogpost „Schlagfertigkeit“.
Check:
Altruismus. Selbstlosigkeit. Das Gegenteil von Egoismus. Es handelt sich hierbei um die „von Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise.“ Der Altruist ist ein selbstloser, uneigennütziger Mensch. Sogar in unserem liebsten online Lexikon ist die Rede davon, dass Geschenke sozialen Druck auslösen können, sind sie doch immer mit der Hoffnung verbunden, etwas zurück zu erhalten.
*Die Serie „The Big Bang Theory“ greift das Thema “Geschenke” in der elften Folge der zweiten Staffel auf. Wer sich auf amüsante Weise damit beschäftigen möchte, was es mit dem Aufrechnen von Geschenken und Sheldons Gedanken hierzu auf sich hat, dem sei die Folge „Die Geschenk-Hypothese“ wärmstens empfohlen. Ansonsten hält besagtes online Lexikon wundervolle Verweise auf wissenschaftliche Studien zur Soziologie und Psychologie des Schenkens bereit.