10 Tage in der Mega-Metropole. Warum Bangkok nicht immer einfach war und dennoch ein fehlendes Puzzleteil in mir ergänzt hat. Von der Notwendigkeit aufreibender Reisen.
Bangkok. Fluch und Segen zugleich. Nicht umsonst wird sie „Stadt der Engel“ und „tropischer Höllenschlund“ genannt. Sie verzaubert den Geist und den Körper. Sechs Stunden Zeitverschiebung nach vorne. Der Körper, noch tief in der Nacht, muss sich plötzlich der erwachenden Stadt hingeben. Und Bangkok erwacht früh. Wer frische Kokosnüsse, Bananen und Obst kaufen möchte, sollte um 08.00 Uhr auf den Strassenmärkten sein. Um 10.00 Uhr haben die meisten Händler ihre Stände geräumt. Erst am späten Nachmittag gibt es den Schichtwechsel: dann erwachen die Restaurants der Straße zum Leben.
Körperlich lässt Bangkok mich vieles spüren. Schweiß. Noch mehr Schweiß. Egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Die Straßen stehen im Smog, TukTuks, Taxen und Rollerfahrer bahnen sich unerlässlich ihren Weg durch die Gassen. Pass auf deine Füsse auf! Das atmen? Fällt schwer. Frische Luft? Gibt es nur außerhalb der Stadt.
Und wenn du denkst, Bangkok zwingt dich in die Knie, präsentiert Ratten, Müllberge und Kakerlaken, die sich die Nächte teilen, dann passiert folgendes:
Du stehst in einem hinduistischen Tempel. Bist irgendwie da hinein gestolpert. Legst deine Gabe ab. Räucherduft erfüllt die Luft, die Glocken schlagen laut zum Gebet. Wie du heißt, fragt der Hindu mit warmem Lächeln, nimmt die Blumen entgegen. Inmitten der Glocken, der Betetenden, des Räucherdampfes schmiert er dir rote Paste auf die Stirn. Du weißt nicht, wo du zuerst hinschauen sollst. Auf das atemberaubende Dekor des Tempels? Auf die Mönche, die die Glocke schlagen? Auf die Betende rechts neben dir, die auf dem Boden kniet? Es ist ein Moment, der das Herz erschüttert. Nur ganz kurz. Ein Moment, der tief unter die Haut geht, der Besitz ergreift. Tränen steigen dir in die Augen. In diesem Augenblick weißt du, warum Bangkok dich so fordert. Warum es dich nicht atmen lässt.
Du musst erst etwas geben, bevor du etwas zurück bekommst, so tiefer Glaube der Buddhisten. Und genau so ist Bangkok: die Stadt verlangt viel von dir, zehrt dich auf. Und dann schenkt sie dir Sekunden – wenn du Glück hast – Minuten des Flows. Der Liebe. Tiefer Begegnung. Und dann?
Dann ist es 16.00 Uhr. Hunderte Schüler verlassen die Schulen, ein unnachlässiger Strom an Menschen in Uniform schlängelt sich auf den engen Gewegen entlang. Die Gehwege gehören eigentlich den Essensständen, nicht den Menschen. Aber irgendwie muss ja jeder nach Hause kommen.
Menschen. Tiere. Verkehr. Essen. Noch mehr Essen. Hitze und monsunartige Regenfälle. Staus ohne Ende. Die Hitze des Tages. All dies muss Bangkok verarbeiten und verdauen.
Man sagt, die Stadt hätte mittlerweile 13 Mio. Einwohner.
Als ich mich dazu entschieden habe, 10 Urlaubstage ausschließlich in Bangkok zu verbringen, haben mich viele für verrückt erklärt. Warum nicht auch auf die Inseln? Was willst du in der Stadt? Du lebst doch in Berlin, reicht dir das nicht?
Nein, es hat nicht gereicht. Ich kannte Bangkok bereits von einem 4-tägigen Aufenthalt oder besser gesagt: ich kannte die Stadt nicht und hatte seitdem immer das Gefühl, nochmal eintauchen zu müssen. In den Lärm. Das Leben hier. Die Kultur und den Glauben.
Ich hatte außerdem das Gefühl, von Berlin gelangweilt zu sein. Zu Hause kenne ich jeden Weg, jeden Stein. Ich wollte einen Overkill eines anderen Lebens. Mich am Strand von A nach B zu rollen, danach war mir einfach nicht. Ich wollte andere Lebensräume kennen lernen, erfahren, was es für die Menschen bedeutet, in einer Mega-Metropole zu leben, in der es nie abkühlt. In der verschiedenste Religionen friedvoll nebeneinander leben. In der Straßenkatzen gefüttert und nicht weggetreten werden.
Nun weiß ich es.
Berlin ist ein Dorf im Vergleich zu Bangkok. Ruhig und sittsam. New York ist ein geordnetes Schachbrettmuster mit fest geplanten Lebensentwürfen und einem Wandel, der im Vergleich zu asiatischen Metropolen, fast vorhersehbar ist. Ich liebe New York, keine Frage. Im Vergleich zu Bangkok verbringt man dort einen Wellnessurlaub.
Bangkok hat mir all das gegeben, von dem ich meinte, es zu brauchen. Wäre ich für 10 Tage in eine griechische Hotelanlage geflogen, hätte ich einen schönen Urlaub verbracht, sicherlich. Aber Bangkok hat mir mehr gegeben. Es hat ein Puzzlestück in meinem Herzen ergänzt. Die Stadt hat mich angestrengt, aber man sagt ja, Abenteuer machen nur selten Spaß, während man sie erlebt. Die Reise war nicht immer einfach. Übelkeit von der Hitze. Permanent nassgeschwitzte Kleidung. Hairstyling? Vergiss es bei der Luftfeuchtigkeit. Ratten, die mir über die Füße gerannt sind. Danke Bangkok.
Danke, dass du mich erschüttert und gleichzeitig mit einzigartigen Momenten überhäuft hast.
Ob wir uns wiedersehen?
Mein Mann sagt nein.
Ich sage, mal schauen. Unser Innerstes zeigt uns recht deutlich, wann es an der Zeit für aufreibende Reisen ist. Und wann nicht. Ich muss diese vielen Eindrücke sacken lassen und kann nur sagen:
Bangkok, Stadt der Engel. Tropischer Höllenschlund. Ich litt gerne hier bei dir. Ich war heimlich glücklich dabei.
Love, V I D A.
Sehr ergreifend :-