
Alle 2 Jahre muss ein neuer her, sonst wird´s langweilig. Oder reden wir uns das ein?
„Ich glaube, ich habe ein Problem“, nuschelt meine gute Freundin Saskia, den Mund voll Burrito. Wir haben uns zu einem schnellen Mittagessen in der Kantstraße getroffen. Noch ist es zu kalt, um draußen zu sitzen. Wenn wir später den Laden verlassen, werden nach Essen stinken, wie zwei Suppenküchen. Aber diesen Burrito und diesen frittierten Snickers zum Nachtisch, das ist es uns wert! Ich kaue und schüttele fragend den Kopf.
„Ich gucke mich nach neuen Jobs um“, sagt sie endlich. Ich mache eine Bewegung mit der Hand, die andeutet, ich brauche mehr Input und nicht nur Satzfetzen. Sie fährt fort:
„Ich langweile mich schon wieder auf Arbeit. Jetzt bin ich seit zwei Jahren in der Agentur, habe das Team rund um Visual aufgebaut, zwei wichtige Projekte abgehakt und irgendwie ist mir jetzt schon wieder … langweilig?“, fragt sie mehr, als sie sagt.
„Was bedeutet langweilig in deinem Fall? Sitzt du am Schreibtisch und hast nichts zu tun, weil alle Prozesse laufen? Oder hast du gut zu tun, aber das, was du tust, ödet dich an?“
„Beides? Mal so, mal so. Wenn neue Projekte reinkommen, bin ich natürlich erstmal Feuer und Flamme und ich gebe immer mein Bestes, das weißt du. Aber diese Anfangsphase ist zu schnell vorbei und dann ärgere ich mich schon sonntags darüber, dass ich am Montag ins Büro muss, um so Standardsachen zu machen. Bei dem Gedanken an diese Routine zieht sich in meinem Magen alles zusammen. Oder wenn Ferien sind und die Hälfte des Teams nicht da ist, da zergehe ich vor Langeweile.“
„Du zergehst gerade in Selbstmitleid.“
„Ja, das auch. Aber was soll ich machen? Ich habe das Gefühl, alle zwei Jahre brauche ich einen neuen Job, weil ich mich sonst widerwillig auf die Arbeit schleppe. Das ist ein echtes Dilemma. Ich kann doch nicht alle zwei Jahre den Job wechseln. Wonders wird es doch auch nicht besser, als es jetzt ist. Ganz im Gegenteil. Ich laufe ja auch Gefahr, mich mit einem Jobwechsel zu verschlechtern!“
„Allerdings. Brauchen wir jetzt den frittierten Snickers?“, frage ich mit einem Augenzwinkern.
„Unbedingt.“
Das Thema wird nach dem frittierten Snickers zu Ende debattiert. Wir verabschieden uns mit der Vereinbarung, Saskia soll noch einmal eine Pro- und Contraliste anlegen, über die Dinge, die ihr an ihrem jetzigen Job gefallen und die Dinge, die ausgetauscht gehören.
Die gute alte Pro- und Contraliste. Klassiker können manchmal nur schwer durch fancy new shit ersetzt werden.
Sie soll außerdem aufschreiben, wie sie sich ihr Arbeiten und ihren Arbeitsplatz generell vorstellt. Was ist für sie unabdingbar (flexible Arbeitszeiten, Sicherheit, unbefristeter Vertrag?) Und auf was könnte sie verzichten (Schaukel im Foyer, Freitags Freibier, Büro mit Aussicht)?
Saskia arbeitet in einer Werbeagentur im Bereich visuelles Design. Sie ist Mitte dreißig und hat in den letzten acht Jahren viermal den Arbeitgeber gewechselt. Jetzt kann man sagen, dass das in der Branche durchaus üblich ist. Viele Agenturen arbeiten mit befristeten Verträgen, Freelancern, und sowieso: wer bleibt heute noch bis zur Rente bei einem Arbeitgeber?
Kaum einer, aber darum geht es hier nicht. Den Saskias Job-Hopping ist chronisch. Und es stört sie.
Sie meint, dass das Gras woanders Grüner sei. Das ist es aber nicht, weil sie bei ihren permanenten Jobwechseln keine wirkliche Veränderung oder Verbesserung herbeiführt. Sie übt den immer gleichen Job in anderen Facetten, mit anderen Kunden, anderen Kollegen, in anderen Räumlichkeiten, zu ähnlichen Konditionen immer wieder vergleichbar aus.
Saskia hat selbst festgestellt, dass ihr der Job eigentlich Spaß bereitet und sie die Tätigkeit an sich gerne ausübt. Das ist schon mal gut zu wissen. Denn hätte sie etwas gegen die Tätigkeit an sich, wäre der Wechsel in den immer gleichen Job nahezu blanker Wahnsinn.
Wahnsinnig ist sie also nicht, aber dennoch fehlt das gewisse Etwas. Oder eine andere geistige Einstellung, das müssen wir noch klären.
Ich vermute, ihr Problem ist Stagnation. Sie entwickelt sich – fachlich – nicht weiter. Ihr fehlt eine spürbare Veränderung. Diese könnte in Form einer spürbaren beruflichen Entwicklung erfolgen oder vielleicht auch in Form einer spürbaren Veränderung der Arbeitsbedingungen. Will heißen: ob Saskia fünf Teammitglieder unter sich hat oder acht, das macht den Kohl nicht fett. Ihr ist auch egal, ob sie in Gleitzeit arbeitet oder mit Vertrauensarbeitszeit. Die nächste Weiterbildung wäre auch nur eine nette Abwechslung, aber danach wäre Saskia wieder in ihrer Leidensspirale. Um aus dem Karussell Job-Hopping herauszukommen, müsste in Saskias Fall eine wesentliche Veränderung her. Vielleicht müsste sie auch die Branche wechseln. Oder sich selbstständig machen? Warten wir die Liste ab!
In dem Fall hier bleibt festzuhalten: dass das Gras woanders Grüner sei, ist ein typisches Denk-Dilemma unserer Zeit. Ein chronischer Zwang, Veränderungen herbeiführen zu wollen. Ein Überangebot an Jobs, Partnern und Konsumgütern macht es nicht leichter, sich dem zu widersetzen, ganz im Gegenteil. Wir sind auf der Suche nach passenderen Outfits, passenderen Partnern, passenderen Smartphones. Das meiste davon ist Saisonware. Partnerschaften, die länger als 10 Jahre halten, sind heute etwas besonderes. Wie die knallgelbe Daunenjacke von 1999. Die Langeweile im Job ist ein Symbol für Überangebote, die wir offensichtlich nicht so gut verarbeiten können, wie wir meinen.
Aber wie kommen wir in Sachen Jobs raus aus dem Dilemma?
Ich war vor einiger Zeit in einer vergleichbaren Situation (wobei in meinem Fall auch die Rahmenbedingungen Arbeitszeit, Karrieremöglichkeiten und Gehalt nicht gestimmt haben). Schwerpunkt meiner Unzufriedenheit war aber die Tätigkeit an sich. Ich hätte in der gleichen Branche bleiben und einfach die Kanzlei wechseln können. Aber dann hätte ich ja den gleichen Job gemacht! In einer ähnlichen Spirale. Auch ich habe damals eine Liste angelegt. Es war an einem schwülen Tag an Thailands Küste. Ich war im Urlaub, mit meinen Gedanken und meinem Mann in einem winzig kleinen Boutique-Hotel abgestiegen. Ich schleppte das Thema „Jobwechsel“ schon seit Monaten mit mir herum. Ich wollte nämlich genau das nicht: den Job wechseln und meine Unzufriedenheit mitnehmen. Das wäre dumm gewesen. Ich war jedoch erst mit dem nötigen Abstand im Urlaub in der Lage zu erkennen: du musst nicht die Kanzlei wechseln! Du musst auch nicht als Inhouse-Juristin in ein Unternehmen gehen! Was du brauchst, ist mehr Freiheit. Mehr Kreativität bei der Arbeit. Aber trotzdem mit viel Textarbeit, das ist einfach mein Talent. Ich liebe es, Texte zu verfassen. Und wie der „Zufall“ es so wollte (ich glaube nicht an Zufälle, aber dazu später mal mehr), ploppte zwei Tage später ein Jobangebot in einem nahezu völlig anderen Bereich in meinem Emailaccount hoch. Und mir war klar: wenn ich meine Unzufriedenheit, gepaart mit einem Schuss Langeweile, nicht bloß für ein paar Monate übertünchen möchte, muss ich diesen anderen Weg gehen. Einen Weg, der meine „darauf möchte ich nicht verzichten“-Parameter trotzdem beinhaltete.
Nicht immer ist es so glasklar. Den meisten Menschen fällt es einfach schwer, zunächst einmal herauszuarbeiten, warum sie unzufrieden sind. Dann tun sich auch viele damit schwer, zu wissen, was sie überhaupt wollen. Wie möchte man denn sein Arbeitsleben verbringen? Eine der schwersten Fragen unserer Zeit. Nicht umsonst gibt es viele, die vom Bäcker zum Taxifahrer werden ***(ich rede hier nicht von Fällen, in denen der Jobwechsel notwendig wurde, um das Überleben zu sichern, es geht hier in diesem Artikel um eine chronische Unzufriedenheit und Langeweile auf der Arbeit).***
Zu wissen, was man will und was nicht, kann wirklich herausfordernd sein. Man muss nicht bis nach Thailand fliegen, um sich darüber klar zu werden. Die eben besprochenen Listen kann man wunderbar überall auf der Welt anlegen 😉
Wer Licht ins Dunkel bringen möchte, kann wie folgt vorgehen.
Shortcut:
- Liste: Pro- und Kontra aktueller Job, welche Seite überwiegt? Welche Punkte auf der Kontraseite könnten mir so oder so ähnlich in jedem anderen Job auch begegnen?
- Liste: was brauche ich, um auf Arbeit glücklich zu sein? Auf was kann ich verzichten? Wie schwer wiegt jeder Punkte, auf einer Skala von 1-5?
- Liste: bin ich selbst vielleicht das Problem? Wenn beide Listen ausgewogen sind, sollte man darüber nachdenken, ob man an der persönlichen Einstellung noch was drehen könnte.
Ich bin gespannt, ob euch diese Idee den Jobwechsel oder das Bleiben erleichtert. Lasst gerne einen Kommentar da.
Oder kann man das auch anders sehen? Gehört regelmäßiges Job-Hopping heutzutage einfach zum Leben mit dazu? Was meint ihr?
Love, Vida.
Check:
Laut einer Studie eines großen Personaldienstleisters aus März 2017 sind zum Jahresende rund 46 % der Arbeitnehmer bereit, ihren Job zu wechseln. Das ist fast jeder Zweite. 23% der Befragten geben „bessere Bezahlung“ als Grund an, gefolgt von „Leistungen werden nicht anerkannt“ mit 17% und 14% sagen, das schlechte Arbeitsklima sei schuld.
Für die Karriere nicht unerwähnt bleiben sollte die Frage, wann denn ein Wechsel angebracht sein kann? Personaler raten aktuell, den Lebenslauf nach circa 7 Jahren aufzufrischen.
Foto: (c) Vida Jung.