Reisen wir wegen der Erinnerungen, des Abenteuers wegen, oder um zu fliehen? Von Heimweh, Fernweh und der Gedankensammlung auf Reisen.
Regelmäßig fällt mir zu Hause die Decke auf den Kopf. Der ewig gleiche Weg zur Arbeit. Das wechselhafte Wetter. Kochen, aufräumen, abwaschen. Die Wohnung putzen. Die gleichen Restaurants, das gleiche Kino. In regelmäßigen Abständen von 4-5 Monaten meine ich dann, ich bräuchte jetzt sofort ein Abenteuer. Abstand zu meiner Welt, in der ich lebe. Ich meine dann auch, andere Kulturen kennen lernen zu wollen. Plötzlich scheint Irland so verlockend, Mauritius ein Traumziel. In Afrika war ich auch noch nie und wer weiß, wie lange die Pyramiden noch stehen werden? Aber muss ich für dieses „ich brauche jetzt mal was anderes“ -Gefühl eine 17 stündige Reise auf mich nehmen? Ich bin mir gerade nicht sicher.
Ich liege am Pool in Bangkok. Rooftop. Alles Schickimicki, das Hotelpersonal ist extrem aufmerksam, bringt frische Handtücher und kalten Kokosnusssaft. Der Blick über die Skyline von Bangkok – unvergleichlich. Ich bin rundum happy! In zwei Stunden habe ich eine Aromamassage gebucht, der Tisch für Cocktails auf der Rooftop-Bar ist auch schon reserviert.
Komisch, dass ich genau jetzt an mein zu Hause denke. Monate lang habe ich mich auf diese Reise gefreut und ich weiß, dass ich eine sehr gute Zeit hier in Bangkok haben werde. Das Thaiessen, Kultur, Chillen am Pool und Nachts das Beben dieser Stadt der Engel erleben. Aber gleichzeitig ist es mir wehmütig ums Herz.
Weisst du, was das bedeutet, frage ich mich selbst?
Es bedeutet, dass du mit deinem Leben zu Hause mehr als glücklich bist. Heimweh. Das ist ein gutes Zeichen! Ich muss schmunzeln. Ja. Zu Hause mag ich’s auch wirklich gern. Ein warmes Gefühl macht sich in mir breit (unabhängig von den 37° c die hier momentan herrschen).
Ich beschließe: Steck dieses Gefühl in dein Herz, genieße den Aufenthalt im Land des Lächelns. Dein zu Hause läuft dir nicht weg und vielleicht ist diese innere Aufregung auch dem Unbekannten in dieser Stadt geschuldet. Bangkok kann man nicht sehr schnell erfassen. Zu laut, zu voll, zu stickig und atemberaubend glitzernd zu gleich.
Ich nehme meine Gefühle als Anlass, um über das Reisen nachzudenken:
Reisen bedeutet für viele Menschen, von zu Hause zu fliehen. Sie sagen dann Sachen wie: „Du, wir bleiben hier. Unsere Katze kommt schon zu recht.“ Oder: „Warum kann es zu Hause nicht so sein, wie hier?“
Einerseits kann das daran liegen, dass die Ferne eben einen besonderen Reiz darstellt. Man denkt schliesslich immer, dass das Gras woanders grüner sei. Also müsste auch das Leben an einem anderen Ort besser sein. Leichter, leckerer, sonniger. Oder etwa nicht?
Andereseits, vielleicht sind diese „Wir bleiben einfach hier“- Sprüche nicht wirklich ernst gemeint. Und wenn doch, dann ist das ein Zeichen dafür, dass zu Hause etwas im Argen liegt. Eine unerledigte Aufgabe vielleicht? Eine Herausforderung die wartet oder vielleicht auch ein Nichts? Vor was fliehen wir wenn wir sagen, wir würden gerne am Urlaubsort xy leben?
Wer nicht nach Hause zurück möchte, dem sendet das Leben und das innere Ich ein klares Zeichen, zu Hause etwas in Ordnung bringen zu müssen. Ich wünsche diesen Reisenden, die eher Fliehenden gleichen, dass sie dieses Signal nicht ignorieren.
Deswegen heißt es auch so schön: „Es ist nicht wo du bist, es ist was du machst“ (Zitat: Freundeskreis, Esperanto).
Egal ob Heimweh oder Fernweh. Man nimmt sich selbst und die Wehwehchen des Lebens immer mit.
Ich persönlich nutze Urlaube deswegen auch gerne, um mir über das Eine oder Andere klar zu werden. Den Fragen in meinem Kopf nachzugehen. Sie aufzuschreiben, als Listen auf diesen kleinen Hotelzimmer Notizblöcken. Dafür ist der Abstand vom Alltag sehr gut. Urlaub muss nicht nur Flucht oder Funfact sein. Urlaub kann eine Art Meditation sein, um Gedanken zu sammeln, Entscheidungen zu treffen und um dankbar dafür zu sein, was zu Hause auf einen wartet.
Love, V I D A.