
Was für Kinder leicht ist, fällt Erwachsenen oft schwer: Begeisterung empfinden, sich in etwas hinein zu steigern, einfach Feuer und Flamme zu sein. Aber fehlt uns das denn wirklich? Muss man sich als Erwachsener von etwas begeistern lassen können?
Erinnert ihr euch an die schlaflosen Nächte vor Weihnachten? An die Vorfreude auf den ersten Ferientag, das Bauchkribbeln, wenn es mit den Freunden ins Kino ging? An die Hingabe, mit der wir Einladungskarten Stunden um Stunden selbst gebastelt haben oder wie oft wir begeistert denselben Kinderfilm auf Video-Kassette immer und immer wieder angeschaut haben? Und selbst dann, als wir schon mitsprechen konnten, waren wir noch immer hin und weg von diesem Film.
Wovon ich hier schreibe? Von dem Zustand, der sich „Begeisterung“ nennt. Der uns einnimmt, das Herz hüpfen lässt, uns länger als für eine Minute ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Ein Zustand, der uns vereinnahmt, die Gedanken immer wieder um diesen Punkt kreisen lässt und ein:
„Ich fasse es nicht, ich bin überwältigt!“
zurücklässt.
Momente, die uns vereinnahmen.
Solche Zustände haben wir als Kinder regelmäßig gespürt und dafür war nicht viel nötig. Es musste nicht immer ein großes Weihnachtsfest sein. Hat nicht auch der erste Flug mit dem neuen Drachen ausgereicht, um uns freudig kreischen zu lassen? Draußen auf dem Feld in Brandenburg. Die Ernte schon eingefahren, standen wir da. Wir drei, mit unseren Drachen in der Hand. Die große Schwester hatte den etwas größere Drachen, die kleine Schwester den etwas kleineren. Stundenlang blickten wir in den Himmel, bis es doch zu windig und zu kalt wurde. Aber das Erlebnis ist geblieben. Der Duft von frisch gemähtem Heu, der Blick in den Himmel, das Geräusch vom Flattern der bunten Flügel. Wir wissen noch genau, wie stark der Drachen an der durchsichtigen Leine gezogen hat und wie sein langer Schweif im Wind tanzen konnte. Abends im Bett konnten wir ihn trotz geschlossener Augen noch immer sehen. Unseren Drachen.
Der Zustand der Begeisterung wird auch bezeichnet als „gesteigerte Freude, Zustand freudiger Erregung“ oder als „leidenschaftliche Anteilnahme getragen durch Tatendrang.“ Aber natürlich kommt das mit dem „Geist“ im Wort „Begeisterung“ nicht von ungefähr, denn das Wort kommt auch von „den Geist mit Inhalt füllen“.
Aber warum ist uns dieser Zustand aus unserer Kindheit so bekannt, wenn wir im Erwachsenenleben viel zu selten von etwas begeistert sind? Also mal Klartext: wann waren Sie das letzte Mal von etwas hin und weg? In einem Zustand „freudiger“ Erregung?
Auf der Arbeit? Im Privatleben? Vermutlich eher im Urlaub oder nach einem wirklich guten Kinofilm!
Ich weiß zufällig, wann ich das letzte Mal ganz aus dem Häuschen war und warum dieser Zustand auch noch eine Weile angehalten hat: nach einem überraschend witzigen Comicfilm über ein Baby, das eigentlich ein Manager ist. Der Film war so überraschend anders, gut gemacht, witzig und unterhaltsam, ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Und auch mein Mann war noch Tage danach sprichwörtlich begeistert und das, obwohl er der noch sachlichere Typ von uns beiden ist.
„Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, brauchen wir vor allem Begeisterung.“ (Dalai Lama)
Begeisterung und der eigene Charakter
Die Fähigkeit zur Begeisterung steckt zunächst einmal in jedem Menschen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Es gibt Typen, denen braucht man nur eine Seifenblase unter die Nase zu halten und sie wissen sofort, was zu tun ist. Strümpfe aus, Kamera gezückt, die Seifenblasen werden zum Highlight des Tages. Aber es gibt eben auch Typen, die wissen mit der Seifenblase nicht mehr viel anzufangen. Und dann gibt es welche, die Erkennen die Seifenblase nicht mal mehr. Kurzum: Charaktere sind verschieden. Gerade im Erwachsenenleben wird die Fähigkeit, von etwas völlig eingenommen zu sein, von Erfahrungen, der Erziehung, sozialen Gegebenheiten, unserer Bildung und anderen Lebensumständen beeinflusst.
Und nun, da wir erwachsen sind und uns, unseren Charakter und unsere Lebenserfahrung mitbringen, da fragen wir uns:
Ist Begeisterung im Erwachsenenleben wichtig?
Ist es erstrebenswert, regelmäßig von etwas begeistert zu sein? Wäre es lohnenswert, an der Charaktereigenschaft, Begeisterung empfinden zu können, zu arbeiten und wenn ja, warum?
Einerseits könnte man meinen, dass es eben eine vorwiegend kindliche Fähigkeit ist und dass es natürlich ist, als Erwachsener „nicht mehr so schnell oder lange“ wegen etwas völlig aus dem Häuschen zu sein. Als Erwachsene leben wir nun einmal in anderen Gefühlswelten als Kinder und das müssen wir ja auch! Würden wir auf dem Weg zur Arbeit voller Begeisterung an jeder Baustelle stehen bleiben, um die großen Traktoren zu bewundern, dann wäre es schnell vorbei mit dem festen Job. Und als Erwachsene können wir unsere eigenen Kinder auch nicht nur mit gerösteten Marshmallows ernähren, mögen wir von dem weichen, zuckrigen Schaum noch so eingenommen sein. Also warum etwas hinterherlaufen, was sich eben durch den Lebensweg ganz von alleine verändert hat?
Andererseits ist es doch schade, an einer Fähigkeit, die Glücksmomente schenkt, die Erinnerungen und positive Vibes produziert, nicht festhalten zu wollen. Oder diese Fähigkeit nicht weiter ausbauen zu wollen.
Warum die Begeisterung ziehen lassen, wenn sie uns doch so gut tun kann?
Begeisterung ist ansteckend, heißt es. Begeisterung regt außerdem emotionale Bereiche in unserem Gehirn an und schenkt uns Lebensenergie.
Die folgende Liste kann als Inspiration dahingehend hilfreich sein, warum es doch wichtig ist, auch als Erwachsener begeisterungsfähig zu sein und zu bleiben:
- es steigert die geistigen Fähigkeiten
- schenkt Erinnerungen und Momente des Glücks
- steckt andere Menschen an
- bringt gute Laune
- im Job wirkt sich Begeisterung positiv auf das Teambuilding aus!
- setzt Energie frei, wodurch Dinge wie lernen, arbeiten, kreativ sein, leichter von der Hand gehen
- große Erfolge, neue Ideen, Spitzenleistungen entstehen auch durch Begeisterung.
Wieder mehr Begeisterung – Begeisterung aufbauen
Zusammengefasst ließe sich sagen, dass es dem Erwachsenwerden wohl immanent ist, ein Stück der eigenen Begeisterungsfähigkeit durch andere Eigenschaften einzutauschen. Es liegen aber auch viele gute Gründe nahe, dem Thema im eigenen Leben und auch im Job wieder mehr Beachtung zu schenken. Denn Begeisterungsfähigkeit lässt sich trainieren.
Ich wünsche Ihnen in jedem Alter all die Begeisterung und herzergreifende Momente, die Sie sich auch wünschen.
Love, Vida.
P.S.: warum die Stinkfrucht (Durian) auf dem Foto? In Thailand habe ich beobachtet, wie Kinder und Erwachsene vor den Ständen mit der stinkenden Köstlichkeit stehen geblieben sind, um ihre Einzigartigkeit zu bestaunen. Diese Momente standen für mich exemplarisch für das Thema Begeisterung. Eine Frucht – und soooo unendlich viele Gedanken, lächelnde Gesichter, verzückte Ausrufe und begeisterte Touristen.
Check:
Der erste Weg zu mehr Begeisterung liegt darin, sich bewusst zu machen, was einen bewegt. Welche Themen sind einem wichtig, wann schlägt das Herz schneller?
Danach geht es darum, Achtsamkeit auf die Themen zu legen, bei denen man sich selbst bedeutender fühlt. Bei denen man einen eigenen Handlungsspielraum hat und seine Kreativität einbringen kann.
Solche Themen können dann, um die Fähigkeit für Begeisterung bewusst wahrzunehmen und zu trainieren, häufiger erlebt werden. Wenn Sie also wissen, dass sportliche Erlebnisse Ihre Laune und Energie um Tage anheben, dann mehr davon! Wenn Sie wissen, dass Kunst und Kultur Sie in einen wahren Rausch versetzen, dann planen Sie solche Ausflüge in Ihre Herzensthemen regelmäßig in Ihrem Leben ein. Nehmen Sie diese sodann bewusst wahr, lassen Sie sich inspirieren und begeistern.